Am unangenehmsten wurde es, wenn die Plüschis anfingen zu sexeln. Wenn dem pubertären Lauch Kevin – hier nicht metaphorisch despektierlich, sondern konkret-gemüsig gemeint – sein zentrales Stengel-Ende erigierte, weil er seine menschliche Gesangspartnerin eben so hot fand, oder die homunkulöse Handpuppe Harry übertrieben viril mit seiner zugewiesenen Menschenfrau flirtete, machte das beim Zuschauen nicht nur unangenehme Gefühle, wenn man mal »Meet the Feebles« gesehen hat.
»Pretty in Plüsch«, die neue Sat.1-Show, in der prominente Menschen mit potenziell eben auch lüsternen Stofftieren singen, wirkte bei ihrer Premiere wegen vieler fremdschampraller, ungelenk aufgesetzter oder schlicht komplett verwirrender Momente nicht wirklich wie ein ernsthaft zur Primetime versendetes TV-Format, sondern mehr wie eine fiktive Sendung, die als kleiner, absichtlich überdrehter Nebengag in einer Serie oder einem Film vorkommt.
Zum Beispiel einem, in dem der verwöhnte, nichtsnutzige Enkel des mächtigen Senderbosses (schlecht gespielt von Bon-Schlonzo-Henrik aus »Love Island«) ein Praktikum beim Fernsehen macht und die Mitarbeiter dort jede seiner im Schnapscola-Rausch geborenen, ausgesprochen halbgaren Ideen umsetzen müssen, weil er ihnen droht, sie ansonsten bei Opa anzuschwärzen.
Es würde einen tatsächlich beruhigen, wenn die Genese von »Pretty in Plüsch« auf eine ähnliche Konstellation zurückzuführen wäre, weil es eben einiges erklären würde, und ein paar Fußnoten und Erläuterungen hat diese Show dringend nötig.
Selbst die Präsentatorin des Puppenklamauks schien nur so ungefähr durchdrungen zu haben, worum es hier eigentlich gehen sollte. Michelle Hunziker moderierte streckenweise, als sei sie auf der Flucht. Verhechelte, atemlos von ihrem Playback-Gesangsopening, die Begrüßung, und galoppte dann so fahrig über die Erklärung des Konzepts hinweg, dass es niemand wirklich verstand.
Wahrscheinlich ist die Idee diese: Sechs bislang nur hobbysängerisch tätige Prominente werden mit einer Plüschpuppe verpaart, mit der sie in jeder Show – es soll, vielleicht ist das der größte Aberwitz dieses Formats, tatsächlich mehrere Ausgaben davon geben – ein Duett singen. Während dieses Auftritts leihen professionelle Popstars den Puppen ihre Stimmen, es wird aber nicht gesagt, wer da singt.
In den Spiel- und Dialogszenen drumherum haben die Plüschis einen anderen Sprecher, was wegen der völlig unterschiedlichen Tonlagen schon einmal verwirrend wirkt. Obendrein ist man als routinierter Fernsehzuschauer ja auch ein gut trainierter pawlowscher Showschäferhund: Wenn irgendwo heimlich agierende, versteckte Promis auftauchen, will man raten, lösen, auf imaginäre Buzzer hauen, wenn man glaubt, hinter dem kleinsten, gelben Tierchen die Stimme von Jeanette Biedermann und in der erstaunlich unverbrummelten Singstimme des bitterbassigen Zottelmonsters den Sänger Milow erkannt zu haben.
In von »The Masked Singer« gerade erst aufgefrischter Rate-Appetenz konzentriert man sich also weniger darauf, wie gut »Let’s Dance«-Tänzer Massimo Sinato nun mit dem berlinernden Einhorn-Plüschtier Didi harmoniert, sondern versucht einerseits zu erlauschen, ob da tatsächlich heimlich Monrose-Mandy singt, und überlegt andererseits, ob nun das gerade performende Einhorn die Rolle der Plüschtier-Influencerin besser spielt oder doch das Alpaka mit den Glitzerjogginganzügen aus »The Masked Singer«, in dem Sylvie Meis steckte.
Um die verborgen singenden Promis geht es aber gar nicht in dieser Show, das kapiert man dann irgendwann. Sie werden nicht weiter thematisiert – warum nicht, bleibt unverständlich, wie einiges an dieser Show, die nur grob konzipiert und nicht wirklich ausgearbeitet erscheint.
Dafür holt eine Jury, bestehend aus DJ Bobo, Sarah Lombardi und – sicher, dass wir nicht doch in einer Komödien-Rahmenhandlung feststecken? – »Bergdoktor«-Darsteller Hans Sigl den ganz großen Einschäume-Pinsel raus. Es solle hier ohnehin nicht um die Gesangsleistung der ungelernten Promis gehen, hatte Hunziker irgendwann erklärt, sondern um das Zusammenspiel zwischen Mensch und Puppe, also seifte die Jury die Kandidaten nach zumindest okayen Darbietungen aufs allerschmierigste mit komplett überzogenen Juchz-Urteilen ein.
Schauspielerin Janine Kunze sang mit dem Grummelmonster an einem Diner-Tresen den »Shoop Shoop Song«, was ausreichte, um Sigl von einer »Zeitreise« schwadronieren zu lassen, Moderatorin Mareile Höppner und Handpuppe Harry bezeichnete er als »zwei chemische Elemente, und ihr seid explodiert, sensationell!«.
Für jedes Mensch-Plüschpaar hat man sich eine kleine, eigene Story-Blase ausgedacht. Das ist gut gemeint, wirkt aber oft zu steif verskriptet und darum gekünstelt. Zudem werden eingespielte Lacher zu dick aufgestrichen, sobald irgendwer schnarcht oder sich irgendwo stößt.
Hardy Krüger junior raunt sich mit dem Niedlichtierchen Polly bei ihrer Darbietung »Kleine Taschenlampe brenn« durch eine gefühlige Gutenachtgeschichte, die von einer eher unmotivierten »Gangnam Style«-Tanzeinlage seinerseits unterbrochen wird, aber da hat man schon vor einer ganzen Weile aufgehört, nach einem Warum zu fragen.
Am besten gelingt das dialogische Zusammenspiel zwischen Ingolf Lück und seiner Puppe, einer halb basierten, halb angeschrappten Showdiva, das gemeinsame »Shallow« gerät dann eher vergrölt, auch Spice Girl Mel C., die unverkennbar der Puppe die Stimme gibt, ist nicht ganz auf beziehungsweise in den Höhen. Am Ende singt dann noch besagter Lauch Kevin mit Ex-»Bachelorette« Jessica Paszka, immerhin Hans Sigl findet das »breathtaking«. Irgendwann dazwischen gibt es einen Einspieler mit dem Grummelmonster, das akuten Durchfall beklagt.
Wenn man glaubt, das alles sei schon unangenehm gewesen, wird man bei der Verkündung der Telefonvoting-Ergebnisse eines Besseren belehrt. Der erwartete Umschlag braucht nämlich etwas länger, und Hunziker schaltet in verzweifelten Zeitschinde-Modus: »Wollen wir irgendwas singen zusammen? Grummel, wie geht es dir? Man könnte jetzt etwas Musik laufen lassen. Ich bin übrigens so froh, dass ich mit Massimo etwas Italienisch sprechen kann.« Die Jury muss noch einmal schwindeln, wie toll und verrückt das hier alles ist.
Dann kommt der Umschlag, Hunziker verliest die Ergebnisse, befördert ein Paar nach dem anderen in die nächste Runde, bis Ingolf Lück und Janine Kunze übrig bleiben. »Sie kriegen das letzte Ticket für nächste Woche!«, jubelt Hunziker, bis sie die beiden irritiert nachfragen, ob sie in Wahrheit jetzt nicht doch noch im direkten Duell gegeneinander antreten sollten, weil ja einer von ihnen rausfliegen müsse. »Ich habe nur einen Witz gemacht«, verschlimmbessert Hunziker, sie wirkt ähnlich glaubwürdig wie jemand, der im Vorstellungsgespräch beteuert, er habe gerade absichtlich beim Hinsetzen seine Hose platzen lassen.
Am Ende bekommen Lück und seine Puppe Francesca de Rossi die wenigsten Anrufe, und endlich wird dann doch noch der dazugehörige Gesangspromi enthüllt. Michelle Hunziker versucht einem noch weiszumachen, auch Lück hätte keine Ahnung gehabt, mit wem er die ganze Zeit singt. Wie erwartet kommt also Mel C auf die Bühne, warum man die gänzlich überflüssige Jury vorher nicht wenigstens kurz raten ließ, bleibt unklar. »Hier ist Party, hier ist gute Laune, wir haben hier alle Spaß«, sagt Michelle Hunziker zum Schluss.
Und von allen verzweifelten Augen-zu-und-durch-Mantren, die man dieses Jahr schon aufgesagt hat, ist das vermutlich das verzweifeltste.
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