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Prinz Charles in Berlin: Liebeserklärung an Deutschland - BILD

Charles und Camilla zum Volkstrauertag in Berlin Liebeserklärung an Deutschland

Bevor Prinz Charles (72) im Bundestag zum Rednerpult geht, erklingt das berühmteste englische Kirchenlied. Eines, bei dem einem durchaus die Tränen kommen können: „Amazing Grace“.

Als die Sopranistin Kathleen Ziegner den letzten Vers gesungen hatte („Die Erde / wird sich bald / wie Schnee auflösen, / die Sonne / aufhören zu scheinen; / doch Gott, / der mich hier unten rief, / wird ewig mein sein“) und Charles, mit einer kleinen Auswahl seiner militärischen Orden an der Brust, seine Redemanuskript zur Hand nahm, konnte man ansehen, dass er gerührt war.

Am Volkstrauertag im Deutschen Bundestag zu reden, ist auch für ihn ein historischer Moment. Es war das erste Mal, dass ein britischer Royal an unserem Volkstrauertag teilnahm.

Zum ersten Mal nahm ein Mitglied des britischen Königshauses am deutschen Volkstrauertag teil
Zum ersten Mal nahm ein Mitglied des britischen Königshauses am deutschen Volkstrauertag teilFoto: Pool / Getty Images

Der Tag an dem wir den Opfern all unserer Kriege gedenken – nicht nur den Soldaten, auch den Zivilisten. Und der Tag, an dem wir Abbitte für das Unrecht leisten, dass Deutsche an Deutschen und Angehörigen anderer Nationen begangen haben.

Charles’ Reise nach Berlin, ausgerechnet an diesem Tag, ist eine große Geste der Freundschaft eines ehemaligen Kriegsgegners.

Prinz Charles und Camilla besuchten mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und dessen Frau Elke Büdenbender die Neue Wache in Berlin
Prinz Charles und Camilla besuchten mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und dessen Frau Elke Büdenbender die Neue Wache in BerlinFoto: ODD ANDERSEN / AFP

Bevor er seine Rede im Reichstagsgebäude hielt, hatte er gemeinsam mit Herzogin Camilla (73) den Bundespräsidenten in Schloss Bellevue besucht und an der Neuen Wache (Unter den Linden), Deutschlands zentraler Gedenkstätte, einen Kranz niedergelegt. Auf der Schleife die Worte: „In everlasting remembrance of all victims of conflict and tyranny” („In nie endender Erinnerung an all die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“).

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Danach der große Auftritt bei der Gedenkstunde im Bundestag – ausgerichtet und organisiert vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (dessen Idee es übrigens war, den Prinzen für den Anlass nach Berlin einzuladen). Erste Überraschung: Einen Teil seiner Rede hielt Charles auf Deutsch.

Die handschriftliche Botschaft von Prinz Charles auf einer Karte am Kranz
Die handschriftliche Botschaft von Prinz Charles auf einer Karte am KranzFoto: Sean Gallup / Getty Images

Abends zuvor – an seinem 72. Geburtstag – war er mit Camilla angereist und im Hotel Adlon abgestiegen. Im Flugzeug der Royal Air Force hatte es ein „Happy Birthday“-Ständchen gegeben (und Kuchen!), am Abend waren Charles und Camilla dann in ihrer Suite mit Blick auf das Brandenburger Tor unter sich.

Viel feiern war da nicht. Der Prinz studierte die deutschen Passagen seiner Rede im Bundestag ein. Er hatte darauf bestanden, auch auf Deutsch zu reden, obwohl ihm die Aussprache mancher Worte Mühe bereitet.

Prinz Charles und Herzogin Camille bei ihrer Ankunft am Berliner Flughafen BER
Charles und Camilla waren am Vorabend mit einem Air-Force-Jeteingeflogen – an seinem 72. GeburtstagFoto: Odd Andersen / AP Photo / dpa

„Seit ich gerade einmal 13 Jahre alt war, bin ich immer wieder nach Deutschland gekommen und Berlin habe ich erstmals vor fast fünfzig Jahren besucht“, sagte der britische Thronfolger, in dessen Adern mehr deutsches als englisches Blut fließt – eine Tatsache, die er immer wieder in seiner Rede aufleuchten ließ, auch wenn er sich, als er seinen Ahnen, Queen Victorias Mann Prinz Albert Sachsen-Coburg (1819-1861), erwähnte, bei der Aussprache des Begriffs „Urururgroßvater“ ein wenig schwertat.

Die Message kam dennoch rüber. Sie lautete: Wir gedenken heute zwar den jungen Männern, die auf beiden Seiten im Krieg gegeneinander gefallen sind, aber unsere gemeinsame Geschichte besteht aus mehr als aus erstem und zweiten Weltkrieg!

Der britische Thronfolger Prinz Charles und seine Ehefrau Herzogin Camilla trugen beide nach Vorschrift Maske
Camilla begleitete ihren Mann nach Berlin – auch um mit ihm Geburtstag zu feiernFoto: Michele Tantussi / Getty Images

Wörtlich sagte er: „Die Verbindungen zwischen der britischen und der deutschen Bevölkerung reichen zurück bis mindestens ins Römische Reich. (…) Während des gesamten neunzehnten Jahrhunderts wurde das britische Leben in Wissenschaft und Kunst von deutschen Gedanken geprägt, teilweise auch dank der führenden Rolle meines Urururgroßvaters, des Prinzgemahls Prinz Albert. Deutsch war für britische Akademiker eine überaus wichtige Fremdsprache (…) Es war gar nicht so ungewöhnlich, wie es vielleicht heute scheinen mag, dass bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs vier Mitglieder des britischen Kabinetts an deutschen Universitäten studiert hatten.“

Am Ende seiner Rede – die zweite Überraschung– verblüffte er seine Zuhörer noch mit ein paar Gedanken zum Brexit. Bundespräsident Frank Steinmeier und Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble in der ersten Reihe des Plenarsaals wussten um die Brisanz dieser Worte und hörten sehr genau hin.

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Auch das war eine royale Premiere. Noch nie zuvor hatte sich ein Mitglied dieser zutiefst europäisch gesinnten britischen Königsfamilie öffentlich zu diesem heiklen Thema öffentlich geäußert.

Charles’ Schlussworte: „Das Vereinigte Königreich hat sich für eine Zukunft außerhalb der Europäischen Union entschieden, und die Beziehung zwischen unseren Ländern verändert sich aufs Neue. Die Gestaltung dieser Beziehung ist Gegenstand von Verhandlungen zwischen unseren Regierungen, und ihr Wesen wird durch die anhaltenden Verbindungen zwischen unseren Völkern bestimmt. Daher bin ich der festen Überzeugung, dass die zentralen Bande zwischen uns stark bleiben werden: Wir werden immer Freunde, Partner und Verbündete sein.“

Prinz Charles (2. v. l.) und Camilla mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (r.) und dessen Frau Elke Büdenbender (2.v.r.)
Prinz Charles (2. v. l.) und Camilla mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (r.) und dessen Frau Elke Büdenbender (2.v.r.)Foto: Jonathan Brady / dpa

Und weiter: „Lassen Sie uns diese Bande zu Beginn dieses neuen Kapitels in unserer langen Geschichte für die bevorstehenden Jahre festigen. Lassen Sie uns zurückblicken auf alles, was wir gemeinsam bewältigt, und all das, was wir gelernt haben. Lassen Sie uns aller Opfer von Krieg, Gewaltherrschaft und Verfolgung gedenken; jener, die ihr Leben hingaben für die Freiheiten, die wir heute schätzen, und jener, die bis heute für diese Freiheiten kämpfen. Sie inspirieren uns, für eine bessere Zukunft zu streiten – lassen Sie uns dies zu unserem gemeinsamen Anliegen machen.“

Da lohnte es sich, genauer hinzuhören. Zwar schreibt Charles seine Reden grundsätzlich selber, aber diese Passage hatte ihm vermutlich Downing Street Nr. 10 nahegelegt. Am 31. Dezember ist es nämlich so weit, dann ist Großbritannien endgültig nicht mehr Teil der EU. Auf den letzten Metern dorthin sind noch zentrale Details offen, die, wenn sie nicht geklärt werden (Grenze zu Irland, Zölle, Fischereirechte), auf beiden Seiten zu schweren wirtschaftlichen Verwerfungen führen könnte.

Londons Regierung ist in Not. Mit einem Präsidenten Joe Biden (77) ist auf keinen besonders freundlichen britisch-amerikanischen Sonder-Handelsvertrag zu hoffen. Biden hat irische Wurzeln – und damit eine natürliche Abneigung gegen alles Britische (und die Ex-Kolonialherren Irlands).

Londons Regierung hofft nun, auf den letzten Metern der Verhandlungen, dass die EU der Versuchung widersteht, aus einer Position der Stärke heraus, London zu allzu schmerzhaften Zugeständnissen zu zwingen. Man ist in dieser kritischen Phase also auf das Wohlwollen der EU – und Merkels – angewiesen.

Da kann ein royaler Besuch wie dieser Einsicht – und vielleicht sogar ein kleines Wunder – bewirken.

Die Orden von Prinz Charles

Prinz Charles trug bei seinem Besuch zahlreiche Orden. BILD erklärt die wichtigsten:

1. „Queen’s Service Order“ – für den Dienst am Königreich.

2. „Queen‘s Coronation Medal“ – Erinnerung an die Queen-Krönung 1953.

3. „Silver Jubilee Medal“ – zur 25-jährigen Regierungszeit der Queen.

4. „Queen‘s Golden Jubilee Medal“ – zum 50. Thron-Jubiläum der Queen.

5. Die „Diamond Jubilee Medal“ – zum 60. Thron-Jubiläum.

6. „Canadian Forces Decoration“ – steht ihm als Oberbefehlshaber des Royal Canadian Regiments zu.

7. Die „NZ Commemorative Medal“ gedenkt der Unterzeichnung der Verfassung Neuseelands 1840.

8. „New Zealand Armed Forces Award“ – Ehrenmedaille der neuseeländischen Streitkräfte.

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